die Zukunft von Johns kleiner Farm
Am 18. August 1996 hat die Familie Bauder auf der Parzelle 477 aus einer ehemaligen Kiesgrube und Bauschutt-Deponie im Herzen von Kallnach ein Kleinod geschaffen. Eine parkähnliche Anlage mit vielen Tieren belebt seither die ehemals graue Grube und schuf Biodiversität. Der Kleinzoo lockte in den vergangenen 28 Jahren zahlreiche Menschen aus der ganzen Schweiz in das unbekannte Seeländer Dorf, wovon auch die lokalen Unternehmen profitieren konnten. 2020 schliesslich wurde Johns kleine Farm endgültig national bekannt durch die SRF-Sendung «Echte Tierhelden».
Mit der Wiederherstellungsverfügung hat der Zoovorstand im Frühjahr 2023 entschieden, sich nach einem neuen Standort umzusehen. Besonders ein Standort kristalisierte sich im 2023 als höchst vielversprechend heraus. Doch nach diversen Sitzungen und behördlichen Abklärungen zerschlug sich dieses Projekt, da es nicht innert einer sinnvollen Frist hätte umgesetzt werden können. Im Frühling 2024 nahm der Vorstand via Vereinsmitglied Cornelia Born, seit 2023 Gemeinderätin in Belp, Kontakt zur Kantonsregierung auf. Das Amt für Grundstück und Gebäude vom Kanton Bern hat den gesamten Kanton nach einem Ersatzstandort abgesucht. Leider erfolglos, wie Regierungsrat Christoph Neuhaus mit Bedauern bestätigte. Aufgrund zu hoher Kosten, wegen schlechter Lage oder ungenügender Infrastruktur liess sich kein passender Standort finden, auf dem Johns kleine Farm neu hätte erblühen können. Erschwerend hinzu kommt die derzeit schwierige Lage in Bezug auf fehlende Fachkräfte, selbst auf dem zweiten Arbeitsmarkt können nicht mehr genügend Betriebshelfer rekrutiert werden.
Mit grosser Verantwortung für Tiere und Mitarbeitende musste der Vorstand eine endgültige Entscheidung fällen. Unter Berücksichtigung aller Faktoren beschloss die Gruppe um Präsident Dr. Med. Vet. Rolf Frischknecht, den Zoobetrieb per 31. August 2024 zu schliessen. Mit einem Zoofest am Sonntag, 18. August 2024 – pünktlich zu seinem 28. Geburtstag – werden die Zoofreunde allerdings die Gelegenheit haben, sich vom Team und den Tieren verabschieden zu können. Insbesondere die einzigartige Tier-WG in der Streichelanlage wird sicherlich in Erinnerung bleiben, wo man Kamelen hautnah begegnen kann. Nach dem Zoofest bleibt die Anlage für Besuchende geschlossen und die Tiere werden bis zum Monatsende in ihre neuen Domizile gebracht.
Von der Schliessung betroffen ist Tierpflegerin Janika Hannen, welche seit Anfag 2023 vollamtlich für die tierischen Bewohner zuständig ist. Ein Leben für den Zoo führte Marianne Honsperger während mehr als zwei Jahrzehnten. Angefangen als jugendliche Helferin hat sie später Agrarwissenschaften studiert und setzt dieses Wissen seither als Wissenschaftliche Mitarbeiterin ein. Sie koordinierte die Besucherangebote und Heimbesuche, sie führte das Tierverkehrsregister, setzte Futterpläne um und übernahm als Stellvertretende Betriebsleiterin viel Verantwortung. Rahel Bärtschi wehte im Frühjahr 2021 in den Zoo, wo sie vor ihrer Weiterbildung zur Wildtierpflegerin EFZ ein Praktikum absolvierte. Im April dieses Jahres musste sie ihre Fähigkeiten im praktischen Teil der Lehrabschlussprüfung unter Beweis stellen, Ende Juni wird ihr Fachwissen im theoretischen Teil abgefragt. Ihr Lehrverhältnis endet – mit grosser Sicherheit äusserst erfolgreich – am 31. Juli und sie wird damit zur letzten Auszubildenden von Johns kleiner Farm.
Würdigung
John-David Bauder hat am 18. August 1996 auf dem Areal einer ehemaligen Kiesgrube und Bauschutt-Deponie im Herzen vom Dorf Kallnach ein kleines Juwel erschaffen. Mit gerade einmal 14 Tieren – die meisten von ihnen Zwergrassen – startete ein tierisches Abenteuer. Im darauffolgenden Jahr wurde der Förderverein «Freunde von Johns kleiner Farm» gegründet, zur Unterstützung bei der Finanzierung und Umsetzung von Projekten. Rasch etabilerte sich John in der Zooszene und durfte beispielsweise 1998 an der «Zookunft» in Nürnberg sein Projekt vorstellen. Denn gerade die Ausrichtung eines Angebots für Menschen mit Sehbehinderung war schon damals einzigartig. Bis heute sind neben den Zoopädagogischen Tafeln auch Braille-Schrift-Tafeln angebracht mit kurzen Erklärtexten. 1999 realisierte John einen Umbau zum rollstuhlgängigen Zoo dank grosszügiger Spenden der Stiftung Cerebral, der Aktion Denk an mich und der Paraplegikerstiftung. Pünktlich zum 5. Jubiläum erschien Bauders Kinderbuch «Auch Stachelschweine feiern Geburtstag». In den kommenden drei Jahren absolvierte er die Ausbildung zum Tierpfleger im Dälhölzli in Bern – während er gleichzeitig in Kallnach zum Rechten schaute. 2007 übernahm der Förderverein den Betrieb und wurde so zum Trägerverein. John zieht erstmals Luchse auf, zu denen er bis heute ein besonders inniges Verhältnis pflegt. 2011 feierte der Zoo sein 15. Jubiläum mit 600 Gästen und der Buchvernissage «der Waschbär schläft hinter dem Ofen». Sein enormes Fachwissen sorgte 2014 zur Ernennung als Prüfungsexperte. Immer wieder gelingt es dem Zoogründer, besonders in finanziell schwierigen Zeiten Menschen für das Projekt zu gewinnen. Für sein Engagement in der Ausbildung von Jugendlichen mit psychosozialen Schwierigkeiten wird Johns kleine Farm 2019 und 2021 mit dem Berner Sozialstern “Best Practice” ausgezeichnet. John-David Bauder nimmt am 18. August 2024 nach 28 Jahren Abschied von „seinen“ Tieren und den zahlreichen Besuchenden.
Damit endet aber dieses beispiellose Lebenswerk keinesfalls. Denn der Trägerverein mit aktuell rund 140 Einzel- und Familienmitgliedern wird weiterhin bestehen. Die Zweckbestimmung soll im nächsten Jahr angepasst werden für Projekte im Bereich des Tier- und Artenschutzes. Ein konkretes Konzept wird der Vorstand nach Abschluss des Zoobetriebs erarbeiten. Auch über den Verkauf der Liegenschaft und die Terminierung des Zaunrückbaus wurde noch keine abschliessende Entscheidung getroffen.
Aktuell leben 460 Tiere aus 70 Arten in Johns kleiner Farm, davon rund 100 Fische und 175 Wirbellose. Für sie alle sucht das Zooteam ab sofort neue Lebensräume, welche in der zweiten Augusthälfte bezogen werden dürfen. Konkret angefragt werden Tierpärke und Zoologische Einrichtungen, welche fachgerecht die Pflege und Hege der Tiere übernehmen können. Bis zur Schliessung des Zoobetriebs wird Johns kleine Farm auch weiterhin auf Spenden angewiesen sein, die einen wesentlichen Teil der Einnahmen ausmachen.